OLG Stuttgart Urteil vom 05.02.1986-19 U 110/85
Das Gericht stellte hierzu fest, dass in einem Wohngebiet Beeinträchtigungen durch Hundezucht in der Regel nicht ortsüblich wären.
Aber: Die Wahl zwischen den bestehenden Möglichkeiten, die Beeinträchtigung zu unterlassen, kann im Urteilsverfahren dem Hundehalter überlassen bleiben. Die ihm gesetzte Obergrenze der Ortsüblichkeit bildet in der Regel eine Beeinträchtigung, wie sie normalerweise vom Halten zweier Hunde ausgeht. Meinungsverschiedenheiten über diese Obergrenze gehören ins Vollstreckungsverfahren, so das Oberlandesgericht Stuttgart.
Hintergründe :
Das zweigeschossige Wohnhaus des Klägers, der selbst den ersten Stock des Hauses bewohnt, grenzt auf einige Meter an den Hof das Grundstück des Beklagten. Dieser hat dort seit 1980 ein Gehege mit Zwinger, zwecks der Zucht von Leonberger Hunden eingerichtet. Die Beklagten halten einen Rüden und vier Hündinnen. Jährlich kommen etwa zwei Würfe zur Welt. Die Grundstücke beider Parteien liegen in einem Wohngebiet der Gemeinde. Der Kläger fühlt sich durch Hundegebell undGeruchsemissionen gestört. Beim Landgericht erhob er mit dem Antrag Klage, die Beklagten dahingehend zu verurteilen, dafür zu sorgen, dass er in der Zeit von 19 bis 7 Uhr und von 13 bis 15 Uhr nicht mehr durch Hundegebell gestört werde, desweiteren, dass in der übrigen Zeit das Hundegebell ein zumutbares Maß nicht überschreite. Das Landgericht wies die Klage ab, weil der Kläger eine wesentliche Beeinträchtigung nicht bewiesen habe. Der Abwehranspruch möge tatsächlich im Sommer 1984 bestanden haben, wegen der Bemühungen der Beklagten um Ruhighalten der Hunde sei aber aber keine Wiederholungsgefahr gegeben. Gerüche schließlich seien nicht dargelegt, so das Landgericht Stuttgart .
Das OLG hingegen war der Meinung, dass der Kläger die Beseitigung von Beeinträchtigungen verlangen kann, welche mit der Hundezucht auf dem Nachbargrundstück verbunden sind §§1004, §§ 906 BGB Er kann nur nicht verlangen, dass den Beklagten durch Urteil des Zivilgerichtes geboten wird, ihre Hundezucht völlig aufzugeben.
Die Beeinträchtigung des Klägers durch die Hundezucht ergibt sich aus den Angaben der Parteien und der Augenscheinseinnahme des LG über die örtlichen Verhältnisse, sowie aus den Aussagen mehrerer Zeugen vor dem LG. Die Beweislast dafür, dass die Beeinträchtigung unwesentlich und damit laut § 906.I.BGB zu dulden ist, tragen die Beklagten. Sie haben zu beweisen, dass ein durchschnittlich empfindender Bewohner des Hauses des Klägers, die Beeinträchtigung als unwesentlich empfindet, sie kaum empfindet. Es kommt also nicht darauf an, wie andere Nachbarn, die nicht wie der Kläger selbst in unmittelbarer Nähe des Hofraumes wohnen, ein Hundegebll wahrnehmen. Deshalb scheidet die Einvernahme der jetzt noch von den Beklagten benannten Gegenzeugen von vornherein aus. Auch die erstmals benannten Gegenzeugen aus dem eigenen Haus der Beklagten und der unmittelbaren Nachbarschaft werden nicht vernommen, da es der Lebenserfahrung entspricht und unterstellt werden kann, dass die nächste Nachbarschaft der Parteien sich unterteilt in Personen die, je nach Lärmempfindlichkeit und Tierfreundlichkeit–mit größerem oder geringeren Widerwillen auf Hundegebell reagiert.
Es kommt nicht darauf an, ob die gesamte Nachbarschaft sich gestört fühlt, sondern ob ein durchschnittlicher Benutzer des betroffenen Grundstückes sich beeinträchtigt fühlt. Hiervon ist der Senat überzeugt, da ein erheblicher Teil der schon vernommenen Zeugen aus der Nachbarschaft ähnlich empfindet wie der Kläger und eine einzelpersönliche Überempfindlichkeit des Klägers nicht nachweisbar ist.
Eine Duldungspflicht des Klägers wegen der Ortsüblichkeit der Beeinträchtigung im Sinne von § 906 II besteht nicht, denn das Wohnviertel der Parteien ist nicht für die Unterbringung von Hundezuchten ausgelegt. Das Halten von 3 oder 4 Hunden durch eine Tierarzt in seinem Haus (nicht Hof) in der Nachbarschaft ändert diese Gesamtbild nicht.
Der Kläger kann die Unterlassung der Beeinträchtigung durch die Hundezucht der Beklagten verlangen. Ob diese ihre Zucht weiterführen können, ohne dass der Kläger weiter den Beeinträchtigungen ausgesetzt wird, muss ihnen allerdings selbst überlassen bleiben. Durch das Urteil kann ihnen, nach der gegenwärtigen Lage der Dinge die Aufrechterhaltung der Hundezucht als solche nicht verboten werden, da es nicht die einzige mögliche Form der Abhilfe sein muss. Insofern wird der Hauptantrag des Klägers zum Teil abgewiesen. Die Beklagten dürfen selbst entscheiden, welche Möglichkeiten ihnen zur Verfügung stehen, die Hunde zu behalten und so unter zubringen, dass die Beeinträchtigung des Klägers auf seinem Grundstück so zurückgeht, dass sie sich im Rahmen dessen hält, was der Nachbar hinzunehmen hat. Die Obergrenze bildet dabei die Beeinträchtigung. wie sie dem Halten von zwei Hunden normalerweise entspricht.
Den Beklagten wird es überlassen, entweder die Baulich -oder Örtlichkeiten für ihre Hundezucht zu ändern und/oder die Zahl der Hunde auf höchstens zwei herabzusetzen. Der Kläger kann sich wegen der Lärmbelästigung durch Zwangsvollstreckung erst dann wehren, wenn er mehr gestört wird, als das durch das Halten von zwei Hunden normalerweise geschieht. Dabei kann allerdings nicht verlangt werden, dass die Beklagten ihren Hofraum überhaupt nicht mehr für die Hunde benutzen dürfen. Es mag dort in seltenen Ausnahmefällen- auch innerhalb der Ruhezeiten- zu Gebell kommen. Eine genauere Grenze lässt sich in diesem Urteil nicht ziehen, zweifelhafte Situationen können zwangsläufig entstehen.
Allerdings hat der Kläger jederzeit die Möglichkeit, den zuerkannten Schutzanspruch durch gerichtliche Vollstreckung durchzusetzen, sobald sich herausstellt, dass sich die Beklagten nur unzureichend auf dieses Urteil einstellen.
Kommentar :
Das Urteil ist in vielen Passagen schwer nachvollziehbar. Vor allen Dingen ist unverständlich, wieso hier eine Umkehrung der Beweislast erfolgen sollte. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung werden Bewohner des Hauses der Kläger kaum gegen ihren Vermieter aussagen, die Forderung an die Beklagten den Nachweis zu führen, dass sich andere Bewohner des Klägerhauses nicht gestört fühlen, erscheint in diesem Zusammenhang geradezu absurd, für diese Forderung gilt:“Mission impossible" Die Bemerkungen zu den Gegenzeugen sind so auch nicht hin zu nehmen. Allerdings erscheint es auch unverständlich, wieso der Beklagte die Gegenzeugen nicht schon in erster Instanz benannt hat. Die Ausführungen zur nächsten Nachbarschaft erscheinen in sich widersprüchlich, könnte man mit diesen Argumenten, doch normalerweise alle Zeugen ablehnen. Von einem Durchschnittsbürger ist öfters die Rede. Ist nun ein Hundeliebhaber oder ein Hundehasser als durchschnittlich zu bezeichnen? Darüber gibt die Urteilsbegründung keinerlei Aufschluss. Einerseits werden Zeugen, beziehungsweise deren Aussagen als relevant, andere wiederum als irrelevant betrachtet: Welchen Maßstab das Gericht dabei angelegt hat, lässt sich nicht erkennen.
Es fragt sich, welches Gebiet heutzutage noch für die Unterbringung einer Hundezucht ausgelegt ist? Das Züchten weitab jeder menschlicher Nähe mitten im finsteren Wald, bei dem die Hunde zweimal täglich vom Züchter besucht und versorgt werden, kann doch wirklich nicht das Ziel der Rechtssprechung sein .
Allerdings hat das OLG hier immmerhin klar erkannt, dass sehr wohl ein Unterschied zwischen einer Zwingerhaltung und einer Haushaltung, gerade hinsichtlich der davon ausgehenden Emissionen besteht.
Die Formulierung :“wie sie dem Halten von zwei Hunden normalerweise entspricht“ ist unklar, da sie weder nach Haltungsform (Zwinger, Haus) noch nach Rasse oder Größe differenziert. Trotzdem berufen sich immer wieder Richter gerade auf diese schwammige Aussage. Einem Beklagten oder auch Kläger würde eine unsubstantiierte Aussage unterstellt, würde er vor Gericht solche Formulierungen vorbringen.
Dem Kläger werden für willkürliche Behauptungen, er werde mehr gestört, als das durch das Halten von zwei Hunden normalerweise geschieht, durch das OLG Tür und Tor geöffnet. Es ist nicht nach zu vollziehen, wie und mit welchen Beweismitteln die Beklagten beweisen sollen, dass der Kläger nur unwesentlich gestört wird. Eine Zwangsvollstreckung (Wegnahme der Hunde !!) ist meines Erachtens ein eklatanter Verstoß gegen das Tierschutzgesetz und nach der Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz durch nichts mehr zu rechtfertigen. Im Endeffekt sind alle Hundehalter schutzlos der Willkür ihrer Nachbarn ausgeliefert. Wie sich immer wieder zeigt, genügt die bloße Behauptung, dass die Hunde übermäßig bellen, um derartige Urteile durch zu setzen.
Nachbarschutz gegen Hunde verwirkt
Verwaltungsgericht Koblenz
Nachbarn haben kein Recht mehr, gegen die Hundehaltung auf dem angrenzenden Grundstück vorzugehen, wenn sie diese jahrelang hingenommen haben. Das Verwaltungsgericht hat die Klage der Nachbarn abgewiesen, die erreichen wollten, dass die Bauaufsichtsbehörde die Hundehaltung auf dem angrenzenden Grundstück untersagt.
Die Kläger aus dem Raum Diez hatten seit 1997 geduldet, dass auf dem eingezäunten Nachbargrundstück fünf Huskys und ein Mischlingshund frei umherliefen oder in einem neu errichteten Zwinger untergebracht wurden. Erst im November 2002 beantragten sie bei der Bauaufsichtsbehörde, den Eigentümern des angrenzenden Grundstücks die Hundehaltung zu untersagen. Sie beklagten sich über die unzumutbare Lärmbelästigung durch das ständige Gebell und Geheul der Hunde und über die erheblichen Geruchsbelästigungen. Die Bauaufsichtsbehörde lehnte ein Einschreiten ab, da sich in den vergangenen Jahren weder die Kläger noch andere Anwohner über die Hunde beschwert hätten.
Die Klage der Nachbarn blieb erfolglos. Die Koblenzer Verwaltungsrichter entschieden, die Nachbarn hätten ihr mögliches Abwehrrecht gegen die Hundehaltung verwirkt. Dies ergebe sich aus den beiderseitigen Rücksichtnahmepflichten im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis. Ein Grundstückseigentümer müsse jedenfalls wie hier nach spätestens fünf Jahren sicher wissen, ob sich seine Nachbarn mit seiner Grundstücksnutzung abgefunden hätten oder nicht. Denn für ihn sei es unzumutbar, wenn sich die Nachbarn auf unbegrenzte Zeit offen halten könnten, gegen die Grundstücksnutzung vorzugehen.
Außerdem seien Nachbarn verpflichtet, wirtschaftlichen und auch immateriellen Schaden von einander abzuwenden. Die Kläger hätten nach allgemeiner Lebenserfahrung erkennen können, dass mit der Zeit zwischen Mensch und Tier eine vertiefte emotionale Beziehung entstehe und es für die Halter nach so langer Zeit einen schwerwiegenden Eingriff bedeute, wenn sie die Tiere wieder weggeben müssten.
Gegen das Urteil können die Kläger die Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz beantragen.
(Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2. Dezember 2004 -7 K 2188/04.KO -.)
Kommentar:
Als ich das relativ aktuelle Urteile zu einer baurechtlichen, nicht zivilrechtlichen Klage gegen nachbarliche Hundehaltung zum ersten Mal las, war ich geradezu begeistert. Endlich hatte einmal sogar ein Verwaltungsrichter erkannt, dass es sich bei Hunden um keine Sachen handelt und im Laufe der Jahre ein stark emotionale Verbindung zwischen Tieren und Haltern aufgebaut wird. Auch wurde endlich einmal auf die Rücksichtnahmepflichten beider Parteien hingewiesen. Die Kläger haben allerdings die Zulassung der Berufung beim OLG Rheinland –Pfalz beantragt, dem wurde auch stattgegeben.
Am 21.07.2005 kam das OVG dann zu folgendem Urteil
Baurechtliche Nachbarschaftsklage gegen Hundehaltung
OVG Keine Klagebefugnis für Inhaber eines Wohnrechts
Inhaber eines dinglich gesicherten Wohnrechtes können von der Bauaufsichtsbehörde nicht verlangen, das diese gegen die Hundehaltung auf einem angrenzenden Nachbargrundstück einschreitet, so das OVG Rheinland –Pfalz.
Die Kläger besitzen ein lebenslanges, durch Eintragung im Grundbuch dinglich gesichertes Wohnrecht an einer Wohnung in einem im Raum Diez gelegenen Mehrfamilienhaus. Das Grundstück liegt im unbeplanten Innenbereich. Das Gebiet ist als allgemeines Wohngebiet einzustufen. Auf dem angrenzenden Wohngrundstück hält der Nachbar seit 1997 fünf Huskys, sowie einen Mischlingshund, für die er im rückwärtigen Bereich des Anwesens einen Zwinger errichtet hat. Im November 2002 beantragten die Kläger bei der Bauaufsichtsbehörde, dem Nachbarn wegen erheblicher Lärm– und Geruchsbelästigung, die Hundehaltung zu untersagen. Dieses wurde von der Zuständigen Bauaufsichtsbehörde jedoch abgelehnt. Die hier gegen erhobene Klage wurde vom Verwaltungsgericht Koblenz (siehe oben) mit der Begründung abgewiesen, die Kläger hätten ihr nachbarrechtliches Abwehrrecht verwirkt. Sie hätten erkennen können, dass nach so vielen Jahren eine vertiefte emotionale Beziehung zwischen Mensch und Tier entstehe und deswegen mit der Beanstandung der Hundehaltung nicht fünf Jahre warten dürfen.
Das Oberverwaltungsgericht bestätigte zwar das Urteil des Verwaltungsgerichtes in seinem Ergebnis, schloss sich aber der erstinstanzlichen Begründung nicht an.
Hundehalter könnten sich gegen eine klagenden Nachbarn nicht auf emotionale Beziehungen zu ihren Tieren berufen, stellten die Richter klar. Die Klage habe dennoch keinen Erfolg. Die Kläger sind als Inhaber eines lebenslänglichen Wohnrechtes schon nicht klagebefugt. Nur Grundstückseigentümer und die ihnen gleichgestellten Erbbauberechtigten und Nießbraucher könnten sich auf ein auf das bauplanrechtliche Gebot der Rücksichtnahme gestütztes, öffentlichrechtliches Abwehrrecht berufen. Denn die bauplanrechtlichen Vorschriften seien grundstück- und nicht personenbezogen.
Die Kläger könnten dagegen ihre Rechtsposition nur gegenüber dem Eigentümer des von ihnen bewohnten Grundstücks geltend machen. Ungeachtet dessen habe die vorgenommene Ortsbesichtigung ergeben, dass die gegenwärtige Hundehaltung nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Nachbarn führe.
Das Oberverwaltungsgericht ließ eine Revision gegen sein Urteil nicht zu.
Urteil vom 21.07.2005
Az: 1A 10305/05.OVG
Kommentar:
Es ist äußerst bedauerlich, dass die erfreulichen Ansätze des Verwaltungsgerichtes in Hinblick auf Anerkennung der emotionalen Bindung zwischen Halter und Tieren, vom OVG wieder vom Tisch gewischt wurden. Erfreulich dagegen ist, dass das OVG letztendlich zum selben Schluss kam, wenn auch mit einer gänzlich anderen Begründung. Einige Fragen aber bleiben doch offen. Wieso kam das OLG erst relativ spät zu der Erkenntnis, dass ein Inhaber eines verbrieften Wohnrechtes nicht klageberechtig sei? Wäre das Urteil unter Umständen zu Gunsten der Kläger ausgefallen, wenn diese die Grundstücksbesitzer gewesen wären? Warum wurde unter den gegebenen Umständen überhaupt eine Ortsbesichtigung gemacht und hätte deren Ergebnis dann, wenn der Grundstückseigentümer geklagt hätte, dann ebenfalls zu einer Klageabweisung geführt?
Alles in Allem lässt sich immer wieder feststellen, dass die Begründungen der Gerichte - egal ob Zivil - oder Verwaltungsgericht - immer sehr vage gehalten und für Laien häufig absolut unverständlich sind.
Es scheint so, als ob hier doch sehr die subjektive Meinung jedes einzelnen Richters eine große Rolle spielt.